Plenumsrede zur Ausbildung von Rechtsreferendar*innen: der Staatsdienst muss einen gleichberechtigten Zugang zur Ausbildung eröffnen!

In der 62. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses beteiligte ich mich an der Plenardebatte zur Ausbildung von Rechtsreferendar*innen. In meiner Rede nehme ich zu den missverständlichen Annahmen der CDU Stellung.

Nachfolgend finden Sie meine Plenumsrede und die Aufzeichnung dieser.


 

Sehr geehrter Herr Präsident!

Sehr geehrte Kolleg*innen!

Gestatten Sie mir die Vorbemerkung, dass die CDU ganz offensichtlich das Gesetz –das haben wir gerade schon festgestellt –, das sie hier so eindringlich zu verteidigen versucht, überhaupt nicht gelesen hat! Anders ist der vorliegende Antrag nicht zu erklären, und das ist an erster Stelle vor allem eines, nämlich in höchstem Maße peinlich.

Um sich der Faktenlage zuzuwenden –der Kollege Schlüsselburg hat sie schon vorgestellt, und ich würde das bekräftigen wollen: Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar dieses Jahres dürfen Rechtsreferendar*innen durchaus und ausdrücklich auch die Sitzungsleitung oder die staatsanwaltliche Sitzungsvertretung mit sichtbar religiösen Kleidungsstücken wie beispielsweise dem Kopftuch oder der Kippa ausüben. Dies entsprach und entspricht im Übrigen –und da müssen Sie sich noch einmal festhalten, weil es auch falsch ist, was Sie gesagt haben –auch dem Berliner Neutralitätsgesetz, denn § 4 des Neutralitätsgesetzes, der über §10 Abs. 3 des Juristenausbildungsgesetzes Anwendung findet für Berliner Rechtsreferendar*innen, für Beamt*innen im Vorbereitungsdienst und andere in der Ausbildung befindliche Personen, lässt Ausnahmen von dem in § 1 Neutralitätsgesetz geregelten Verbot des Tragens sichtbarer religiöser und weltanschaulicher Symbole bei hoheitlicher Tätigkeit innerhalb des Dienstes dezidiert zu. Unter welchen Umständen diese Ausnahmen gelten, obliegt gemäß §4 Neutralitätsgesetz dem Ermessen der zuständigen Personalstelle. Das war in diesem Fall nicht der Senator –insofern geht auch dieser peinliche Vorwurf ins Leere –, sondern der Präsident des gemeinsamen juristischen Prüfungsamts gemeinsam mit dem für die Ausbildung der Referendar*innen zuständigen Präsidenten des Kammergerichts. Diese Regelung –das kann man nur bekräftigen; da haben Sie auch nicht richtig hingeguckt –gilt für Referendar*innen, die im Kammergericht ihre Ausbildung beginnen, bereits seit dem 1. August.

Diese Ausnahme bei Referendar*innen ist nicht neu –das haben wir auch schon gehört –, sondern sie kommt in Berlin schon länger zur Anwendung, und sie wurde in der Tat von der Bildungsverwaltung im September 2017 in einem Rundschreiben an alle öffentlichen Schulen bekräftigt. Ich zitiere: Für Lehramtsanwärter*innen werden gemäß §4 Neutralitätsgesetz Ausnahmen vom Verbot nach §1 gemacht. Der Staat besitzt hier ein Ausbildungsmonopol – das ist das Entscheidende –, sodass sich aus dem Grundrecht auf Berufsfreiheit – Artikel 12 Grundgesetz – grundsätzlich ein Anspruch auf Teilhabe an der staatlichen Ausbildung ergibt, sofern die regulären Ausbildungsvoraussetzungen erfüllt sind. Das ist der Text der Bildungsverwaltung. Dem stimmen wir ausdrücklich zu und nach dem wurde auch gehandelt. Es ist darüber hinaus noch festzustellen, dass GJPA und Kammergericht mit der vorgeschriebenen Aufsichtspflicht sogar restriktiver agieren als die Bildungsverwaltung für den Schuldienst.

Um es kurz zu machen: Diese Angriffe der CDU in dem Antrag sind substanzlos und in der Sache falsch, und es wirklich schade um die vertane Zeit. Diesen möchte ich abschließend nutzen, um festzuhalten, dass es aus antidiskriminierungspolitischer Perspektive nicht nur richtig, sondern sehr zu begrüßen ist, wenn Auszubildende, welche die Diversität unserer Stadtgesellschaft abbilden, auch in Kern- und Schlüsselbereichen unseres Staates und unserer Verwaltung gleichberechtigt Zugang finden.