Plenumsrede zum Landesantidiskriminierungsgesetz: Berlin geht als Vorreiterin voran

Diskriminierung und Rassismus kommen überall in der Gesellschaft vor

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleg*innen,

Diskriminierung und Rassismus kommen vor – und zwar überall in der Gesellschaft. Und trotz der ständig steigenden Fallzahlen werden etwa rassistische Vorfälle noch immer und viel zu häufig bagatellisiert. Wir als Koalition schlagen einen anderen Weg ein: wir wissen, dass sich die Stärke einer Demokratie am Umgang mit ihren Minderheiten bemisst. Wir sind der Überzeugung, dass jede und jeder in unserer pluralen Gesellschaft das Recht auf Gleichbehandlung hat. Wir wollen, dass Artikel 10 unserer Landesverfassung nicht nur auf dem Papier steht, sondern Wirklichkeit wird: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Und dafür ist das Landesantidiskriminierungsgesetz ein Meilenstein nach vorne!

Mit dem LADG erkennen wir erstmals an, dass auch der Staat ein diskriminierender Akteur sein kann

Mit dem LADG schließen wir eine bundesrechtliche Schutzlücke und erkennen erstmals an, dass auch der Staat mit seiner Verwaltung und seinen Behörden ein diskriminierender Akteur sein kann. Dass er eine Schutzpflicht gegenüber seinen Bürger*innen hat. Und wir ermutigen von Diskriminierung Betroffene, ihre Rechte einzufordern und sich zu wehren.

Der Gesetzentwurf entwickelt Antidiskriminierungsrecht innovativ weiter

Der vorliegende Gesetzentwurf beschränkt sich aber nicht allein darauf, sondern er entwickelt Antidiskriminierungsrecht innovativ weiter: mit einer Ausweitung des Merkmalkatalogs, mit der Einrichtung einer Ombudsstelle, die eine schlichtende Funktion einnimmt, mit einem Verbandsklagerecht, dass den Kampf gegen strukturelle Diskriminierung ermöglicht, mit der gesetzlichen Verankerung von Diversität und von konkreten Diversity-Maßnahmen in der gesamten Berliner Verwaltung.

Und es freut mich, dass wir in den koalitionsinternen Verhandlungen den Diskriminierungsschutz weiter ausbauen konnten: indem wir die Verbindlichkeit des LADG gegenüber den landeseigenen Betrieben erhöhen und indem wir den Merkmalskatalog um Antisemitismus erweitern. Das Ergebnis lässt sich sehen: Mit diesem Gesetz wird Berlin bundesweit eine Vorreiterrolle einnehmen!

Die geäußerte Kritik ist vor allem eins: ideologisch und faktenfrei!

Ich habe in den letzten Tagen nochmal in den Bundestagsprotokollen zur Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 2006 geblättert. Und vieles von der damaligen Debatte kommt einem seltsam vertraut vor: die Warnung vor angeblichen Klagewellen; die Warnung vor Bürokratie; die Warnung vor angeblichem Missbrauch und falschen Anschuldigungen; die Behauptung, das Gesetz stünde gegen die geltende Rechtsordnung und so weiter und so fort. 14 Jahre später lässt sich sagen: All‘ diese Anwürfe haben sich als unwahr und falsch herausgestellt. Und sie sind es ebenso heute!

Bundesministerin Zypries sagte damals in ihrer Plenarrede – ich zitiere: „Es ist insbesondere schwierig, so etwas wie eine rationale Debatte zu führen. Viele Kritiker haben unseren Gesetzentwurf leider offenbar nicht richtig zur Kenntnis genommen.“ Und das gilt auch für die aktuelle Diskussion, anders sind die Wortmeldungen von Rechts nicht zu erklären. Die geäußerte Kritik ist vor allem eins: sie ist ideologisch und faktenfrei.

Beweislasterleichterung ist ein bewährtes Element im Antidiskriminierungsschutz

Um es noch einmal in aller Verständlichkeit zu erklären: Das Gesetz adressiert eben nicht das Verhalten einzelner Dienstkräfte. Das LADG enthält auch keine Beweislastumkehr, sondern eine Beweislasterleichterung. Und das ist nicht neu. Eine entsprechende Regelung gibt es im AGG und im Berliner Landesgleichberechtigungsgesetz – ohne dass es jemals zu diesen von Ihnen hier beschworenen Horrorszenarien gekommen wäre. Im Gegenteil: die Beweislasterleichterung ist ein bewährtes Element im Antidiskriminierungsschutz und folgt den EU-Vorgaben, die wir mit dem LADG umsetzen.

Ein Blick in das Gesetz hilft im Übrigen: Die Vermutungsregelung ist an eine richterliche Prüfung gekoppelt. Richter und Richterinnen werden abwägen und überprüfen, ob jeweils Tatsachen glaubhaft gemacht werden, die das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot überwiegend wahrscheinlich machen. Es ist also nachweislich falsch, dass bloße Vorwürfe zu einem Verfahren führen. Da würde ich mir von Rechts mal mehr Vertrauen in den Rechtsstaat und in die Gerichtsbarkeit wünschen!

Als Koalition war es uns wichtig, die Debatte über den Gesetzesentwurf ernsthaft und zu kritisch führen

Als Koalition war es uns wichtig, die Debatte über den Gesetzesentwurf im Rechtsausschuss ernsthaft und kritisch zu führen. Daher haben wir auch den DGB mit der dezidierten Perspektive der Beschäftigten des öffentlichen Diensts angehört. Und die Haltung des DGB war dabei eine klare dabei: es war eine Befürwortung dieses Gesetzes im Ganzen und eine ausdrückliche Begrüßung einzelner Elemente wie der Verbandsklage und der Ombudsstelle. Und das bestärkt noch einmal mehr unseren Kurs.

Wir haben aber auch die Sorgen ernst genommen. Und daher ist nun in der Gesetzesbegründung bekräftigt, dass es zur Umsetzung des LADG eine Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat geben wird. Ich sage deswegen „bekräftigt“, weil die Gespräche dazu bereits aufgenommen wurden. Und natürlich wird es umfassende Informationsangebote geben, um die Handlungs- und Anwendungssicherheit zu erhöhen. Die Sicht der Beschäftigten war uns immer wichtig und wir begrüßen diesen gemeinsamen Prozess in der Umsetzung mit dem Hauptpersonalrat ausdrücklich!

Es ist beschämend, wie stark die Abwehrkräfte gegen Diskriminierungsschutz wirken

Die Vorwürfe der Opposition sollen Angst beschwören, weil sich eben daraus politisches Kapital schlagen lässt. Das weisen wir zurück! Gerade dann, wenn diese Kritik nicht ohne Vorurteile oder rassistische Stereotype auskommt. Es ist beschämend, wie stark die Abwehrkräfte gegen einen wirkungsvollen Diskriminierungsschutz wirken. Und es ist erst recht beschämend, mit welcher Vehemenz hier weiße Privilegien verteidigt werden – während zeitgleich Schwarze Communities in unserer Stadt auf die Straße gehen, um nach der Ermordung von George Floyd auch hier gegen Rassismus zu protestieren.

Und ich habe erhebliche Zweifel, ob der Bundesinnenminister qualifiziert ist, das LADG fachlich zu bewerten. Wer nach der rassistischen Hetzjagd von Chemnitz Migration als – ich zitiere – „die Mutter aller Probleme“ bezeichnet, ist nicht Teil der Lösung, sondern er ist Teil des Problems, über das wir heute hier sprechen.

Das LADG ist ein Gesetz für alle Berliner*innen

Das Landesantidiskriminierungsgesetz ist ein Meilenstein im Diskriminierungsrecht. Es ist ein Gesetz für alle Berliner*innen. Es wird für Rechtssicherheit sorgen. Es wird das Vertrauen in die Arbeit des Staates, seiner Behörden und auch in die Arbeit der Polizei erhöhen. Von Berlin wird ein Signal ausgehen, dem sich hoffentlich viele andere Bundesländer anschließen werden.

 

Und abschließend bleibt mir nur noch, den vielen Akteur*innen aus der Berliner Zivilgesellschaft ausdrücklich zu danken, die dieses Gesetz vorangetrieben haben. Aber auch unseren Koalitionspartner*innen für alles, dass wir das gemeinsam hier auf den Weg gebracht haben. Und ich würde sagen: Es hat sich gelohnt. Vielen Dank!

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Hier können Sie sich/ könnt ihr euch die Rede anschauen.