Plenumsrede zur Umbenennung der M*Straße: Straßennamen, die Diskriminierung verbreiten, gehören nicht in unsere Stadt!

Am 20. August 2020 habe ich im Plenum des Abgeordnetenhauses zur Umbenennung der M*-Straße in Berlin-Mitte gesprochen. Nachfolgend findet Sie meine Plädoyer zur Straßenumbenennung als wichtigen Schritt bei der Dekolonisierung des öffentlichen Raumes.

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Kolleg*innen,

bei der heutigen Diskussion erscheint es sinnvoll, zunächst einen unaufgeregten Blick in die aktuelle Ausgabe des Duden zu werfen, um Klarheit für die politische Diskussion zu gewinnen. Das M*Wort, so heißt es da, sei – ich zitiere – „veraltet, heute diskriminierend“. So kurz, so klar. Und für uns ist ebenso kurz und klar: Straßennamen, die anti-Schwarze Diskriminierung verbreiten, die Kolonialrassismus reproduzieren oder koloniale Kriegsverbrecher ehren, gehören nicht in unsere Stadt.

Die Diskussion um den Namen der M*Straße und um deren Umbenennung wird bekanntlich nicht seit gestern, sondern schon seit vielen Jahren von postkolonialen Initiativen und von afrikanischen, afrodiasporischen und Schwarzen Organisationen in unserer Stadt breit geführt und vorangetrieben. Die Koalition unterstützt ausdrücklich das Anliegen, den öffentlichen Raum zu dekolonisieren. Daher haben wir in diesem hohen Hause die Erarbeitung eines gesamtstädtischen postkolonialen Erinnerungskonzept für Berlin beschlossen, das gerade auf den Weg gebracht wird.

Und so ist der Versuch der AfD, mit diesem Antrag auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, ein vergeblicher: der Zug ist schon längst abgefahren. Die Bezirksverordnetenversammlung Mitte wird heute den Antrag von SPD und Grünen „Anton-Wilhelm-Amo Straße jetzt!“ beraten. Das Bezirksamt soll – so heißt es darin – den Prozess der Umbenennung der M*Straße unverzüglich in die Wege leiten. Ich zitiere: „Nach dem heutigen Demokratieverständnis ist der bestehende rassistische Kern des Namens belastend und schadet dem nationalen und internationalen Ansehen Berlins.“ Dem ist aus unserer Sicht nichts hinzuzufügen!

Es ist wahrlich beeindruckend, mit welcher Obsession Hobby-Historiker und -Etymologen vergeblich versuchen, die kolonialen Bezüge und die lange rassistische Wirkungsgeschichte des M*-Wortes abzuschüteln. Auch das macht der AfD-Antrag paradigmatisch vor. Historiographie dient dann ausschließlich der politischen Instrumentalisierung.

Der historische Kontext des brandenburgisch-preußischen Kolonialismus und seines Sklavenhandels wird so zum nächsten „Vogelschiss“ der Geschichte – oder noch schlimmer: er wird einfach – wie hier – verschleiert und negiert.

Auch der Vorwurf, mit der Umbenennung von Straße und U-Bahnhof solle Geschichte bewusst getilgt werden, läuft ins Leere. Das Gegenteil ist der Fall! Wir befürworten den zivilgesellschaftlich breit getragenen Vorschlag: beide Orte sollen künftig den ersten Schwarzen Universitätsgelehrten Deutschlands, Anton Wilhelm Amo, ehren. Damit bleibt der historische Bezug nicht nur erhalten, sondern die Perspektive wird zugunsten der ehemals Kolonisierten quasi umgekehrt:

Aus einer exotisierend-rassistischen Fremdzuschreibung kann mit Anton Wilhelm Amo eine gemeinsame geteilte, eine postkoloniale Geschichte werden. Gerade deswegen ist auch so wichtig, dass neben der Umbenennung ein Lern- und Erinnerungsort eingerichtet wird. Auch diesen Vorschlag unterstützen wir ausdrücklich!

Die Black-Lives-Matter-Proteste der letzten Monate haben den Finger zurecht in die Wunde der weißen Mehrheitsgesellschaft gelegt: Wie lange wollen wir anti-Schwarzen Rassismus im Alltag unserer Stadt hinnehmen? Wie lange wollen wir die Verherrlichung der Kolonialzeit unkommentiert im öffentlichen Raum stehenlassen?

Die Antwort darauf kann nur heißen: Keinen Augenblick länger!


 

Nachfolgend können Sie sich die Aufzeichnung meiner Rede anschauen.