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Aufarbeitung der Kolonialgeschichte im Tierpark

Am 25. Mai wurde ein Teil der Afrika-Landschaft des Tierparks Friedrichsfelde eröffnet.

Ein halbes Jahr dauerte der Umbau der etwa 7.000 Quadratmeter großen Fläche. Kostenpunkt: 1,2 Millionen Euro. Der Fokus lag dabei auf Artenschutz: Die Tiere haben mehr Platz und können sich vor Besuch zurückziehen. Das Publikum erhält einen authentischen Einblick in die natürlichen Lebensräume, der im Tierpark ansässigen Geparde, Geier und Brillenpinguine, heißt es in der Pressemeldung des Tierparks mit dem Titel „Auf nach Afrika“. Dort steht auch: „Der Besuch bei den Geparden mutet nun afrikanisch an: Hütten aus natürlichen Baumaterialien ermöglichen authentische Einblicke in eine großzügige Savannenlandschaft.“

„Ein simplifiziertes und stereotypisches Afrikabild“ (Sebastian Walter, MdA)

An dieser Ausdrucksweise haben sich einige gestoßen: „Die Art der Wortwahl, die Beschreibung der afrikanischen Landschaft mit Hütten, die Afrika als exotischen und rückständigem Kontinent darstellen, vermittelt ein simplifiziertes und stereotypisches Afrikabild, das aus postkolonialer Perspektive kritisch zu bewerten ist“, sagt der Abgeordnete Sebastian Walter, stellvertretender Fraktionsvorsitzende und Sprecher für Antidiskriminierung und Queerpolitik der Grünen. Nicht nur der Tierpark wandelt sich, sondern teils auch das Bewusstsein für den mit der deutschen Geschichte verknüpften Kolonialismus.

Die letzte Menschenschau in Berlin fand erst 1952 statt.

In Deutschland hat die Ausstellung von Menschen 1896 im Treptower Park begonnen. Zwölf Jahre zuvor besetzte das Deutsche Reich den westafrikanischen Staat Togo und das in Zentralafrika gelegene Kamerun. Aber noch bis 1952 gab es im Zoologischen Garten Völkerschauen. Der Tierpark, die Tochtergesellschaft der Zoo AG, wurde drei Jahre später in Ostberlin eröffnet.

„Es gab offensichtlich überhaupt kein Bewusstsein darüber, welche Bilder produziert werden“ (Sebastian Walter, MdA)

Naivität oder Absicht? Mit einer Anfrage beim Senat haben die Abgeordneten Sebastian Walter und Daniel Wesener (Bündnis 90 Grüne) versucht herauszufinden, wie es zu dieser unglücklichen Wortwahl kam: „Das Ergebnis ist einerseits erschreckend, weil es ganz offensichtlich überhaupt kein Bewusstsein gab, was für Bilder produziert werden. Andererseits – und das ist positiv – geht auch hervor, dass der Tierpark sich damit auseinandersetzen will und Kontakt mit der Berliner Koordinierungsstelle zur Aufarbeitung der Kolonialgeschichte aufnehmen wird. Es stellt sich konkret die Frage, wie die kolonialen Bezüge noch sichtbar gemacht werden können“, sagt Walter.

„Es muss auf jeden Fall was passieren“ (Sebastian Walter, MdA)

Wie geht es weiter? Walter würde nicht so weit gehen zu fordern, die stereotypisierenden Hütten nachträglich zu entfernen. Laut ihm braucht es eine kritische Einordnung des Gezeigten: „Es muss auf jeden Fall was passieren.“ Er empfiehlt dem Tierpark die Zusammenarbeit mit NGOs. Zum Beispiel mit der Initiative für Schwarze Menschen in Deutschland. Der Senat sichert in seiner Beantwortung zu, einen Austausch mit der Tierpark GmbH und der Koordinierungsstelle herzustellen. Der Tierpark arbeitet derzeit an einem umfassenden Statement zu der Anfrage.


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