Schriftliche Anfrage: Afrika-Landschaft im Tierpark Berlin

Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sebastian Walter und Daniel Wesener (GRÜNE) vom 29. Juni 2020 zum Thema: Afrika-Landschaft im Tierpark Berlin und Antwort vom 15. Juli 2020

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:

Die Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht umfänglich aus eigener Kennt-nis und Zuständigkeit beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat die Zoologischer Garten BerlinAG (Zoo AG), zugleich für ihre alleinige Tochter Tierpark Berlin-Friedrichsfelde GmbH (Tierpark GmbH), um eine Stellungnahme gebeten. Die Stellungnahme wurdebei der Beantwortung berücksichtigt.

Der Beantwortung sei vorausgeschickt, dass das Land Berlin an der Zoo AG mit nur einer Aktie (0,03% des Grundkapitals) beteiligt ist und sich die Tierpark GmbH im alleinigen Eigentum der Zoo AG befindet.

 

1. Wie bewertet der Senat die institutionen- und wissenschaftsgeschichtlichen Verstrickungen von zoologischen Gärten und Kolonialismus?

Zu 1.: Der Senat sieht diese Verstrickungen und leitet daraus die Notwendigkeit einerinstitutionellen und inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema ab.

 

2. Was ist dem Senat über die konkrete kolonialgeschichtliche Vergangenheit der Berliner Zooanlagen und Tierparks bekannt?

Zu 2.: Der Senat hat dazu bisher keine eigenen Erkenntnisse. Die Zoo AG verweist in diesem Zusammenhang auf folgende Publikationen, die deren kolonialgeschichtliche Vergangenheit aufgreifen:· Klös, Heinz-Georg/Frädrich, Hans/Klös, Ursula: Die Arche Noah an der Spree:150 Jahre Zoologischer Garten Berlin: eine tiergärtnerische Kulturgeschichte von1844-1994; Berlin 1994. Bruce, Gary: Through the Lion Gate. A History of the Berlin Zoo; Oxford 2017.· Maier-Wolthausen, Clemens: Hauptstadt der Tiere. Die Geschichte des ältestendeutschen Zoos, hg. von Knieriem, Andreas; Berlin 2019.

Mit dem Hinweis auf die Gründung des Tierparks in Berlin-Friedrichsfelde im Jahre 1955 seien nach Auskunft der Zoo AG unmittelbare koloniale Bezüge nicht erkennbar. Hinsichtlich der Herkunft von Tieren aus spätkolonialen Kontexten oder ausnach 1955 noch unter kolonialer Herrschaft befindlichen Gebieten wird auf die Ausführungen zu wissenschaftlichen Forschungen unter der Antwort zur Frage 3. verwiesen. Die Tierpark GmbH beabsichtigt, die Rolle des Erbauers von Schloss Friedrichsfelde im Kontext kolonialer Ambitionen der Mark Brandenburg zu untersuchen undtransparent darzustellen.

 

3. Inwiefern wird der in Frage 2) genannte Aspekt der Geschichte vom Zoologischen Garten Berlinkritisch reflektiert, aufbereitet und öffentlich verhandelt? Welche weitergehenden Pläne gibt es, dies zutun?

Zu 3.: Zur Umsetzung des Parlamentsbeschlusses vom 15. August 2019 wurde vonder Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe eine zivilgesellschaftlicheKoordinierungsstelle bei dem Verein Decolonize Berlin e.V. eingerichtet. Diese hatden Auftrag, einen gesamtstädtischen Aufarbeitungsprozess der kolonialen Vergan-genheit Berlins zu steuern und zu koordinieren. Sie wird in diesem Jahr eine Be-standsaufnahme der Aufarbeitungsthemen erstellen und dabei auch die kolonialenVerstrickungen von städtischen Institutionen im Bereich der Zoologie berücksichtigen.

 

4. Welchen Beitrag werden der Zoologische Garten, das Aquarium und der Tierpark bei der Umsetzung des Abgeordnetenhaus-Beschlusses vom 15.08.2019 „Berlin übernimmt Verantwortung für seinekoloniale Vergangenheit“ für die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte und ihrer Nachwirkungen bisheute im seine eines postkolonialen Lernprozesses leisten?

Zu 4.: Im genannten Parlamentsbeschluss findet die koloniale Aufarbeitung in denBerliner zoologischen Einrichtungen keine Berücksichtigung. Gleichwohl werdendurch die angestoßenen Debatten um die Kolonialgeschichte und den Rassismus inder Gesellschaft auch die benannten Institutionen sensibilisiert und durch die Aktivi-täten der Koordinierungsstelle bei Decolonize Berlin adressiert werden. BesondereBerücksichtigung werden dabei die Entstehungsgeschichte von Zoos in Hinblick auf die Sammlung von Tieren auf Kolonialexpeditionen und die Darstellung und Vermarktung dieser Tiere spielen. Eine Grundlage für die Auseinandersetzung bietet dieStudie vom Max-Planck-Institut „Afrikanische Kultur und der Zoo im 21. Jahrhundert:Eine ethnologische Perspektive auf das ,African Village‘ im Augsburger Zoo“(https://www.eth.mpg.de/3498250/africanZooVillage.pdf).Die Zoo AG setzt sich selbst mit ihrer kolonialgeschichtlichen Vergangenheit auseinander und hat mitgeteilt, dass es in den Veröffentlichungen zum Jubiläumsjahr 2019 sowie in der Dauerausstellung vielfältige Verweise auf die Indienststellung des Zoosfür die Kolonialpropaganda des Deutschen Reiches vor als auch nach 1918 und die koloniale Herkunft früher ausgestellter Tiere gebe. Die Aufarbeitungen würden indem Verbundprojekt „Tiere als Objekte“ mit dem Museum für Naturkunde und derHumboldt Universität weitergeführt. Die in diesem Rahmen durch den angestellten Wissenschaftlichen Mitarbeiter – Herrn Dr. Clemens Maier-Wolthausen – durchgeführten Forschungen würden in den nächsten Jahren diesbezügliche wissenschaftliche Veröffentlichungen hervorbringen. Der Tierpark wird ebenfalls in die Forschungen einbezogen.

 

4. Welche Afrikabilder soll durch den jüngst im Tierpark Berlin eröffneten ersten Abschnitt der soge-nannten „Afrika-Landschaft“ vermittelt werden? Wie korreliert die o.g. kritische Aufarbeitung mit die-sem Afrikabild?

Zu 4.: Die Maßnahmen zur Ertüchtigung der tiergärtnerischen Anlagen sind nicht alserinnerungskulturelle Projekte im Sinne des genannten Parlamentsbeschlusses angelegt. Vielmehr wird eine naturgetreue Nachbildung der natürlichen Lebensräumeder dort gehaltenen Tiere angestrebt und es sollen Informationen zu diesen Lebensräumen vermittelt werden.

 

5. Wie bewertet der Senat die exotisierenden und simplifizierenden Darstellungen in der sogenannten„Afrika-Landschaft“, die beispielsweise durch die Aufstellung von unterschiedlichen „Hütten“ „authentische Einblicke“ eines „exotischen Kontinents“ zum Ausdruck bringen möchte? (Zitate gem. der Pres-semitteilung des Tierparks „Auf nach Afrika“ vom 25.05.2020)

Zu 5.: Die Umsetzung des langfristig angelegten Ziel- und Entwicklungsplanes derTierpark GmbH ist vornehmlich auf die Ertüchtigung der Anlagen und die Steigerungder Besucherattraktivität ausgerichtet. Unter Berücksichtigung der landschaftlichenPotentiale und der bestehenden Tieranlagen ist vorgesehen, den Tierbestand nachKontinenten sowie Regionen und Lebensräumen zu verorten. Vor diesem Hintergrund ist die Tierpark GmbH auskunftsgemäß bei der Umsetzung von Teilprojektenprimär darum bemüht, möglichst authentische Einblicke in die natürlichen Lebens-räume der Tiere durch eine entsprechende Gestaltung mit Pflanzen, Steinen, Boden-substraten und sonstigen geeigneten Ausstattungsgegenständen zu schaffen. DieBesucherinnen und Besucher sollen mit der neu gestalteten Savannenlandschaft fürdas Thema Tier und Natur begeistert werden.Aus Sicht des Senats sind die angestrebten geographischen Zuordnungen des Tier-bestandes nicht im Zusammenhang mit der Erinnerungsarbeit zur geschichtlichenAufarbeitung der kolonialen Vergangenheit zu sehen.

 

6. Wurde der Tierpark Berlin bei der Erarbeitung des Konzepts der „Afrika-Landschaft“ durch externeExpert*innen beraten? Wenn ja, durch wen und mit welcher Aufgabenstellung?

Zu 6.: Die Tierpark GmbH hat mitgeteilt, dass sie sich bei der Gestaltung der Gehegeals naturnahe Räume für ihre Tiere an der internationalen Fachliteratur orientiert undExpertinnen und Experten aus den Artenschutzprogrammen vor Ort konsultiert wor-den seien.

 

7. Inwiefern haben bei der Gestaltung der „Afrikalandschaft“ kulturwissenschaftliche und kolonialge-schichtliche Erkenntnisse über die Wirkung und Folgen von exotisierenden Bild- und Landschaftssprachen Berücksichtigung gefunden?

Zu 7.: Die Tierpark GmbH bemüht sich bei der Umsetzung der Projekte authentische Einblicke in die natürlichen Lebensräume der Tiere zu schaffen und fokussiert sich inbegleitenden Ausstellungen auf das Thema Artenschutz.

8. Wie kann eine kritische Sichtbarmachung der kolonialen Bezüge in der sog. „Afrika-Landschaft“noch ermöglicht werden?

Zu 8.: Der Senat wird einen Austausch mit der Tierpark GmbH und der Koordinierungsstelle initiieren.

 

Berlin, den 15. Juli 2020

In Vertretung

Vera Junker

Senatsverwaltung für Finanzen