Gute Gründe für ein Landesantidiskriminierungsgesetz

„Das Landesantidiskriminierungsgesetz verspricht professionelle und effiziente Lösungen im Kampf gegen institutionelle und strukturelle Diskriminierung. Wir sind der Überzeugung: alle Berliner*innen werden davon profitieren. Ihnen wird damit die Möglichkeit geben, ihr grundständiges Recht, Gleichbehandlung durch die öffentliche Hand zu erfahren, rechtlich einzufordern.

Ich hoffe, dass das Landesantidiskriminierungsgesetz in Fällen von unrechtmäßiger Ungleichbehandlung durch die öffentliche Hand zu einem scharfen Schwert wird und häufig Anwendung findet. Wir werden die Wirksamkeit des Gesetzes in der Praxis genau beobachten und wenn notwendig, zugunsten eines besseren Diskriminierungsschutzes weiterentwickeln.“

Sebastian Walter MdA, Sprecher für Antidiskriminierungspolitik

 

Am Donnerstag, den 04.06.2020 wird das Landesantidiskriminierungsgesetz, voraussichtlich im Plenum des Abgeordnetenhauses beschlossen werden. In meinem Artikel „Das Landesantidiskriminierungsesetz: Berlin geht voran!“ bekommen Sie einen Überblick über das Gesetzesvorhaben.

In den letzten Tagen gab es viel Berichterstattung zum LADG. Es tauchten einige absurde Behauptungen, rund um die Wirksamkeit des LADGs auf, die Unsicherheit schüren. Diese lenken von der eigentlichen Errungenschaft des LADGs ab: Die Etablierung einer dringend notwendigen gesetzlichen Regelung, die den in Art. 3 des Grundgesetzes festgeschriebenen Schutz vor Diskriminierung durch staatliche Behörden, im Land Berlin, tatsächlich ermöglicht.

Nachfolgend finden Sie die 6 wichtigsten Fragen rund um das LADG und dessen Wirksamkeit und Notwendigkeit beantwortet. Außerdem finden Sie zu jeder Frage auch ein Expert*innen-Statement einer Antidiskriminierungsberatungsstelle.

1. Wieso brauchen wir überhaupt ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG)?

Das LADG schließt die Rechtslücke im Fall von Diskriminierung durch Berliner Behörden und ermöglicht allen Berliner*innen einen diskriminierungsfreien und gleichberechtigten Zugang zu Dienstleistungen der öffentlichen Hand. Auf Bundesebene gibt es bereits das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das aber nur für die Bereiche der Beschäftigung und des Zivilrechts gilt.

„Das ist wichtig, denn auch in Verwaltung, Schule und Polizei findet Diskriminierung statt. Als Beratungsstellen wissen wir von Fällen von Racial Profiling, diskriminierenden Zeug*innenanhörungen, Protokoll- und Beweisaufnahmen, von unverhältnismäßiger Strenge und gar Gewalt gegenüber People of Color. Bislang ist es für Betroffene sehr schwer dagegen vorzugehen und ihre Fälle bleiben unsichtbar,“ so Céline Barry von der Beratungsstelle Each One (EOTO e.V.). Quelle

 

2. Was ändert sich dadurch für die Berliner Behörden?

Im LADG ist die Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt gesetzlich verankert. Das beinhaltet zum einen, dass die behördlichen Strukturen diskriminierungskritisch überprüft werden und zum anderen, dass alle Dienstkräfte Zugang zu Weiterbildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen mit dem Ziel des Erwerbs von Diversity-Kompetenzen erhalten sollen. Vorgesetzte sind für die Umsetzung dieser Maßnahmen verantwortlich und auch bei ihnen wird Diversity-Kompetenz in ihre Leistungsbeurteilung einfließen.

„Damit die Diskriminierungsverbote tatsächlich wirken und um Mitarbeitenden der Verwaltung Handlungssicherheit zu geben, sind ausführliche Schulungen unabdingbar“, so Zeynep Cetin Projektleiterin des Netzwerks gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit bei Inssan e.V. Quelle

 

3. Haben andere Bundesländer auch schon ein LADG?

Nein. Mit dem Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz setzen wir als erstes Bundesland die europäischen Diskriminierungsschutz-Richtlinien für den Bereich der öffentlichen Hand um. Als Vorreiterin hoffen wir darauf, dass andere Bundesländer sich anschließen und der Diskriminierungsschutz deutschlandweit ausgebaut und gestärkt wird.

In unserer täglichen Arbeit mit Menschen, die Diskriminierung erlebt haben, sehen wir oft, wie Diskriminierungsfälle die Institutionen des Rechtsstaats nicht erreichen bzw. diese keine Abhilfe schaffen (können). Wir begrüßen daher den Gesetzesentwurf für ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG). Diesen halten wir in seiner vorliegenden Form für geeignet, Diskriminierung, die in allen Lebensbereichen und eben auch bei Behörden stattfindet, wirksamer zu bekämpfen.“ Quelle.

 

4. Inwiefern unterstützt das LADG Betroffene von Diskriminierung?

Die im LADG festgeschriebenen Regelungen zur Beweiserleichterung, Prozessstandschaft und Verbandsklage sowie die LADG-Ombundsstelle sind wirksame Mittel, die im Falle einer Diskriminierung durch Berliner Behörden angewandt werden können. Den Betroffenen sowie den Antidiskriminierungs-Beratungsstellen wird dadurch die Durchsetzung des Rechts der Diskriminierungsfreiheit sowie ggf. einer Schadensersatzzahlung vereinfacht.

Der Rechtsweg ist für die meisten Betroffenen erst dann eine Option, wenn außerjuristische Versuche scheitern oder keinen Erfolg versprechen. Er ist jedoch mangels Beweisen oder wegen strenger gesetzlicher Anforderungen in den meisten Fällen, die uns erreichen, verschlossen. In anderen Fällen entscheiden sich Betroffene aufgrund der hohen emotionalen und finanziellen Belastung durch ein Gerichtsverfahren sowie der „Ferne“ der Institutionen der Justizgegen den Rechtsweg. Hier setzen die oben genannten Regelungen an.Quelle

 

5. In welchen Bereichen wirkt das LADG?

Das LADG entfaltet Wirkung auf alle öffentlichen Stellen sowie die gesamte Verwaltung des Landes Berlin. Dazu gehören auch die Berliner Senats- und Bezirksverwaltungen, inkl. Schulen und Behörden. Außerdem Hochschulen, Universitäten, Anstalten und Stiftungen (als landesunmittelbare öffentlich-rechtliche Körperschaften) sowie Gerichte und Behörden der Staatsanwaltschaft und der Polizei des Landes Berlin.

Diskriminierung ist eine gesellschaftliche Realität und schließt keinen Lebensbereich aus. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bietet rechtlichen Diskriminierungsschutz in den Bereichen Arbeit und Dienstleistungen. Das LADG wird den Bereich des staatlichen Handelns schützen.“ Quelle

 

6. Vor welcher Diskriminierung schützt das LADG?

Das LADG schützt vor Diskriminierung durch öffentliche Stellen und die Verwaltung des Landes Berlin aufgrund folgender Merkmale: Geschlecht, ethnische Herkunft, rassistische und antisemitische Zuschreibung, Sprache, Religion und Weltanschauung, Behinderung, chronische Erkrankung, Lebensalter, sexuelle und geschlechtliche Identität sowie sozialer Status.

Ein weiterer Meilenstein im Entwurf ist die Einführung des Diskriminierungsgrundes sozialer Status. Diese in der Praxis und der öffentlichen Meinung so wichtige Diskriminierungskategorie soll erstmals explizit gesetzlich geschützt werden.“ Quelle