Ein Stolperstein für Gustav Herzberg

„Dieser Stolperstein soll uns Auftrag sein, zu erinnern und wach zu bleiben.“

Heute, am 26. Februar 2020, wurde für Gustav Fritz Herzberg ein Stolperstein in der Kurstraße 32 in Mitte verlegt. Ich hatte die Ehre, bei der Verlegung im Kreise seiner Angehörigen und Nachkommen sprechen zu dürfen.

„Sehr geehrter Herr Demnig, sehr geehrte Frau Stippel, liebe Stolperstein-Initiative, sehr geehrte Damen und Herren, aber vor allem: liebe Frau Trost, liebe Angehörige von Gustav Fritz Herzberg,

erst vor wenigen Wochen, am 28. Januar, haben wir anlässlich des Jahrestags der Befreiung des KZ Auschwitz in einer Feierstunde am „Mahnmal für die verfolgten Homosexuellen“ den Opfern des §175 während des Nationalsozialismus gedacht. Und es berührt mich sehr, dass wir heute Gustav Fritz Herzberg gedenken dürfen, sein Leben, seine Verfolgung und Ermordung dem Vergessen entreißen und ihn ehren.

Mit dem Paragraph 175 konnte bereits ein Verdacht, ein Blick, ein Kuss zu Verurteilung, Kastration, Gefängnis, Zuchthaus und KZ führen. 50.000 Männer wurden bis 1945 verurteilt, Tausende wurden in den Konzentrationslagern ermordet. Den Häftlingen des Rosa Winkels ist nach 1945 aber die Anerkennung als Opfergruppe versagt worden. Der Naziparagraph hatte in der verschärften Fassung weiter Bestand. Die Verfolgung ging weiter. „Totgeschlagen – totgeschwiegen“, so lautet daher die Inschrift auf dem Gedenkstein am Nollendorfplatz, der die Form eines Rosa Winkels trägt, und wortgleich auf den Gedenktafeln in den KZ-Gedenkstätten Dachau und Sachsenhausen.

Die Abschaffung des Paragraphen 175 erfolgte endgültig erst im Jahre 1994. Die Rehabilitierung der homosexuellen NS-Opfer wurde sogar erst 2002 durch den Deutschen Bundestag beschlossen, die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer des § 175 nach 1945 sogar erst 2017 – und damit viel, viel zu spät. Viele der Opfer sind bereits verstorben. Allein in Berlin sind weniger als 10 Anträge auf Rehabilitierung gestellt worden. Aus meiner Sicht ist das eine Schande für dieses Land.

Gustav Herzberg wurde im Jahre 1941 aufgrund des Paragraphen 175 verhaftet und inhaftiert. Er wurde ins Arbeitserziehungslager Wuhlheide gesteckt, dann ins KZ Buchenwald verschleppt und schließlich im KZ Ravensbrück am 26. Juni 1942 – mit nur 34 Jahren – ermordet.

Der heute hier in seinem Gedenken verlegte Stolperstein erinnert und mahnt uns.

Er erinnert an den jungen Mann aus dem Harz, der 1935 nach Berlin kam, seine Zukunft noch vor sich hatte, und dessen Leben zerstört und vernichtet wurde.

Er mahnt uns, die Erinnerung an ihn und an alle Verfolgten des Naziregimes aufrecht zu erhalten und aus dem Vergangenen zu lernen. Gerade in einer Zeit, wo rechte Kräfte wieder erstarken und unser demokratisches Zusammenleben in Frage stellen. Gerade in einer Zeit, wo allein hier in Berlin fast täglich von homophoben Angriffen berichtet wird. Das dürfen, das werden wir nicht hinnehmen.

Unser Bundespräsident, Frank Walter Steinmeier, hat vor zwei Jahren am „Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen“ gesagt:

„Heute ist die aufrichtige Erinnerung ein Eckstein unserer Identität. Leicht fällt sie uns trotzdem nicht. Viele Wunden von damals sind auch heute noch nicht verheilt. Viel zu oft gibt es auch heute wieder Anlass zur Wachsamkeit. Erinnern heißt auch: wach bleiben.“

Dieser Stolperstein für Gustav Herzberg soll uns Auftrag sein, zu erinnern und wach zu bleiben.

Vielen Dank!“